Outdoor-Action auf der Hörsel

Packrafting

Packrafting – die neue Art des Wasserwanderns. Spätestens nach einer Tagestour mit den robusten Rucksackbooten ist klar: das ruft nach Wiederholung! Auf der Hörsel, einem rechten Nebenfluss der Werra, geht es mal bedächtig, mal rasanter zu. Die ungewöhnliche Perspektive dicht über dem Wasserspiegel bietet spannende Entdeckungen durch eine abwechslungsreiche Flusslandschaft – ein Genuss sowohl für Einsteiger als auch für Profis. Definitiv ein Trendsport, der begeistert! 

Alles beginnt mit dem ersten Paddelschlag

Rafting… – bei diesem Wort kommen unweigerlich Gedanken an knallrote Gummiboote auf, die sich ihren Weg durch gefährliche Strudel und herausfordernde Stromschnellen bahnen, vorbei an Felsen, inmitten zerklüfteter Gebirgsschluchten. Als Matthias Klaß die Packrafts unter der Hörselbrücke in der Langensalzaer Straße auspackt, denke ich: die Farbe stimmt schon mal. Allerdings stellt sich später schnell heraus, dass es auf der Hörsel weitaus gemächlicher zu geht. Wenngleich so manche Stromschnelle genaues Navigieren und Konzentration erfordert, um nicht unfreiwillig nass zu werden. Bevor die Tour beginnt, erfolgt zunächst eine Einweisung. Charakter und Verlauf des Flusses werden vorgestellt. Außerdem verrät Matthias Klaß wichtige Tricks und Kniffe, die man beim Packrafting beachten sollte. Beruhigend zu wissen: Die Rucksackboote sind äußerst strapazierfähig und durch das große Luftvolumen extrem kippstabil. Nachdem alle persönlichen Sachen im wasserdichten Bootssack verstaut sind, nehme ich Platz. Bequem sitze ich schon mal. „Startklar?“, werde ich gefragt – und bejahe. Ein kräftiges Anschubsen genügt, und schon befinde ich mich mitten auf der Hörsel. „Die ersten Minuten bleibt es ruhig, danach setzen wir einmal um mit den Booten, und starten hinter dem Wehr in einen etwas bewegteren Flussabschnitt“, gibt Matthias bekannt, während ich mich auf das Dasein zu Wasser einlasse. Schnell stelle ich fest: Das Gefühl der Freiheit liegt manchmal nur einen Paddelschlag entfernt. 

Mitten im Packraft-Abenteuer: Gemütliches Treiben und wilde Stromschnellen

„Die Hörsel ist der längste und wasserreichste Zufluss der Werra“, berichtet Matthias, der an ihren Ufern in Eisenach aufwuchs. Seine starke Verbundenheit zur Heimat ist spürbar und ich möchte wissen, wie er zum Packrafting kam. „Das erste Mal hörte ich von einem guten Freund davon. Er tourt regelmäßig in den Alpen und erkundet dort Gebirgsbäche mittels Packraft. Von da an liebäugelte ich mit dem Gedanken. Der entscheidende Impuls kam, als ich 2018 eine Balkan-Expedition der TV-Sendung BIWAK sah und die Moderatoren mit Leichtgewichtsbooten ins Gebirge wanderten. Von da an gab’s kein Zurück mehr! Ich mietete mir zunächst ein Packraft und im Spätherbst desselben Jahres ließ ich die ersten eigenen Boote zu Wasser. Mittlerweile sind es 14 Packrafts, die man mieten kann.“ 
Wir sind bereits eine Weile unterwegs und das Navigieren mit dem Paddel wird zunehmend sicherer. Steuern wir auf kleinere Staustufen zu, paddelt Matthias voran und zeigt den günstigsten Weg durch das bewegte Wasser. Wichtig dabei ist, so lerne ich, das Gewicht auf Schultern und Füße zu verlagern und die Körpermitte kurzzeitig anzuheben. Damit gleitet das Schlauchboot selbst über Stellen mit niedrigem Wasserstand spielend leicht hinweg. Hat man die Staustufe mit ihren Strömungen passiert, gilt es, die Balance zu halten und das Boot auf Kurs, um nicht ins Dickicht am Ufer getrieben zu werden. Nicht immer ganz einfach, aber genau darin liegt ein Teil der Packraft-Faszination: die abwechslungsreiche Challenge herausfordernder Passagen zu meistern, um sich dann wieder von Wind und Wasser entlang gemächlicher Abschnitte treiben zu lassen. Während wir eine Brücke nach der anderen durchqueren, ruft Matthias scherzhaft zu: „Da denkt man immer, Hamburg hat die meisten Brücken. Aber wir Eisenacher können gut mithalten!“ 

Römische Legionen und Wildentengeschnatter

Entschleunigt treiben wir in den ultraleichten Trekkingbooten durch die Landschaft. Matthias ist zugleich Hobby-Historiker und berichtet von spektakulären Funden, die man hier beim Bau einer Stützmauer machte: Uralte Münzen deckten auf, dass einst römische Legionen unter Tiberius und Drusus an der Hörsel entlang marschierten. Außerdem erfahre ich, dass es in den 1950er Jahren einen Kanuverein in Eisenach gab – die Packraft-Touren sind also ein Revival dieser vergangenen Tradition. Plötzlich wird unser Gespräch unterbrochen vom aufgeregten Geschnatter der Wildenten, die nur einen Paddelschlag entfernt vor uns aus dem Wasser davonstieben. Eine perfekte Gelegenheit, um schweigend die Natur zu bestaunen: Wildromantische Schilfgürtel säumen das Ufer, hier und da tauchen gelbblühende Wasserlilien auf, umflattert von Blauflügel-Prachtlibellen. Aus den Bäumen ertönen die markanten Rufe von Mönchsgrasmücken. Auf Ästen, die ins Wasser ragen, nehmen Bachstelzen Platz und beäugen uns neugierig auf der Vorbeifahrt. Matthias meint, mit etwas Glück bekommen wir sogar Eisvögel zu Gesicht. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen! Als Naturfreak komme ich so richtig in Fahrt und suche mit Argusaugen die Uferbereiche ab. Graureiher waten durch das Wasser und sind auf Beutefang. Blessrallen hier und da, doch von Eisvögeln keine Spur. Wir paddeln einige Kilometer flussabwärts, dann die Überraschung: Ein Prachtexemplar von Eisvogel sitzt im Geäst und schaut konzentriert auf das Wasser – bis wir ihm zu nahe kommen und er davonfliegt. Was für ein Glücksmoment!

Michelskuppe, Wartburgblick und Werramündung

Packraftig auf der Hörsel ist nicht nur ein sportliches Abenteuer und Naturvergnügen. Es gibt die Gelegenheit, den Landstrich um Eisenach von einer völlig neuen Perspektive zu betrachten – und auch geologische Schätze wie die Michelskuppe zu entdecken. Die Erhebung, die 50 Meter über dem Stadtgebiet aufragt, ist europaweit einzigartig. Hier steht ein Berg Kopf, und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Verschiebungen der Erdkruste verursachten, dass Schollen zerbrachen und sich gegeneinander schoben. An der Grenzlinie stellte sich die Scholle auf und kippte um – der untere Teil des Berges kam nach oben. Faszinierend! Nachdem wir das Eisenacher Stadtgebiet verlassen und mich Matthias auf den wunderbaren Blick zur Wartburg hinweist, gelangen wir ins Hochwasser-Mäander von Stedtfeld. Die Landschaft zeigt sich wieder komplett neu. Vor uns taucht der Frankenstein auf, ein rund 340 Meter hoher Berg, auf dem die Reste einer gleichnamigen mittelalterlichen Burg zu finden sind. Bis Hörschel liegen noch einige Staustufen vor uns. Einmal gerate ich ins Schlingern, das Packraft dreht sich und ich komme dem Ufer nahe. Paddelarbeit ist gefragt!

Ich manövriere mich aus der Stromschnelle heraus, ein paar Wasserspritzer landen zwar im Boot, der Rest bleibt trocken – weiter geht’s! Es wird gemächlicher, die Hörsel eingerahmt von uralten Weiden, deren Zweige bis ins Wasser hängen. „Gleich sind wir an der Werra“, ruft Matthias. Wir landen sanft auf einem Kiesbett, waten mit unseren Wasserschuhen durch das flache Wasser und tragen die ultraleichten Trekkingboote ein paar Meter, um dann die Werra flussaufwärts zu paddeln und eine günstige Ausstiegsstelle zu finden. Die gibt es, genau am Beginn des Rennsteiges. Wehmütig und glücklich zugleich steige ich aus dem Packraft. „Wenn man möchte, geht es bei einer Tagestour weiter bis nach Creuzburg, auf Wunsch auch inklusive Verpflegung – Grillbuffet, Moussaka im Dutch Oven oder mediterraner Fleischbällchen-Topf“, verrät Matthias. Dazu muss man wissen: Matthias Klaß ist gelernter Koch und seine kulinarischen Genüsse beliebt. Zum Schluss frage ich ihn nach seinem persönlichen Packraft-Motto: „Einfach treiben lassen“, ist seine Antwort. Passt, finde ich. 

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