Die Durchstarterin

Downhill mit Nina Hoffmann

Nina Hoffmann gehört zu den besten Downhillfahrerinnen Deutschlands – obwohl sie erst mit 18 Jahren auf das Fahrrad umsattelte. Drei Meistertiteln und einem Weltcup-Sieg sollen noch viele Erfolge folgen. Vor allem aber will die Saalfelderin mehr Menschen für das Mountainbiken begeistern – und der Sportart zu noch größerer Popularität verhelfen. In und um den Bikeparks im Thüringer Wald, zum Beispiel. Wo sie selbst zur Weltklasse-Athletin heranreifte.

 

 

Viele Sportler träumen von Medaillen und Titeln, von Sponsoren und Zuschauermengen, vom steilen Weg nach oben. Nina Hoffmann will nach unten – und zwar am besten so schnell wie möglich. Und das gelingt ihr ziemlich gut. In nur wenigen Jahren mauserte sich die gebürtige Saalfelderin von der Hobby-Bikerin zu einer der besten Downhill-Fahrerinnen weltweit – und zum großen Vorbild in der Radsportszene. 

Mit bis zu 70 Stundenkilometer rast Nina die Berge hinunter, brettert durch spitze Kurven, stellt sich technisch anspruchsvollen Passagen über Steine und Wurzeln und legt große Sprünge hin. Es gilt, die perfekte Linie zu finden, oft im Bruchteil einer Sekunde. Dafür braucht die Sportlerin Ausdauer und Kraft in sämtlichen Muskeln ihres Körpers, von den Fingern über den Oberkörper und Rumpf bis in die Oberschenkel. Und sie braucht Köpfchen und mentale Stärke. „Um die Technik rüberzubringen, muss ich hellwach sein, darf aber auch nicht verkrampfen.“

Nina weiß, wovon sie spricht. Neben ihrer Karriere als Profi-Mountainbikerin studiert die 25-Jährige Psychologie an der Universität Jena und schreibt gerade an ihrer Masterarbeit. Sie untersucht, wie Wettkampfangst im Downhill-Sport entsteht und reduziert werden kann. Früher haderte auch sie mit großen Sprüngen. „Ich habe sie lieber erst am zweiten Tag genommen oder sogar Chicken Lines, die Angsthasenlinien, gewählt“, erinnert sie sich. Diese Tage sind gezählt: Heute geht Nina aufs Ganze und glänzt im Kampf gegen die Uhr. 

 

Bei den Aufnahmen bekommt man Gänsehaut! Nina beim Streckencheck in der BikeArena Steinach:  

 

Neue Leidenschaft

Daran war vor ein paar Jahren nicht mal ansatzweise zu denken. Als Teenagerin war die Saalfelderin Leichtathletin, trainierte vor allem Speerwurf. Um sich noch besser auf den Sport konzentrieren zu können, zog sie 2014 nach Jena. Schmerzen im Ellenbogen bremsten sie wenig später aus, nach der Mitteldeutschen Meisterschaft 2015 zog sie die Reißleine. Nur zwei Monate nach dieser Entscheidung ging sie bei einem Downhill-Hobbyrennen im thüringischen Bad Tabarz an den Start, mit einer guten Mischung aus Neugier und Frustbewältigung – und gewann es mit 13 Sekunden Vorsprung. Eine neue Leidenschaft war geboren. „Mein Herz schlägt nach wie vor für den Speerwurf, aber das Mountainbiken gibt mir den Kick, den ich immer gesucht habe.“

Genau dieser Kick, das Adrenalin, das durch den Körper rauscht, wenn sie im Starthäuschen steht und auf den Countdown wartet, lässt sie nicht mehr los. „Ich liebe es, mich neuen Herausforderungen zu stellen und Grenzen zu überschreiten. Und ich liebe es, in der Natur zu sein, durch die wunderschöne Landschaft zu fahren“, sagt die stets gut aufgelegte Thüringerin. 

Perfekte Kulisse

Thüringen und der Thüringer Wald bilden dafür die perfekte (Trainings-)Kulisse mit kniffligen Trails, steilen Abfahrten und spitzen Kurven. Wenn sie sich nicht gerade im Kraftraum oder auf dem Rennrad auf die neue Saison vorbereitet oder zwischen Frühjahr und Herbst um Weltcup-Punkte kämpft, sitzt Nina oft in ihrer Saalfelder Heimat auf dem Sattel. Hier kann sie die Landschaft genießen, die ausgebauten Strecken um die Stauseen. Oder sie ist in den Bikeparks in Oberhof und Steinach anzutreffen. „Sie sind richtig cool geworden und ein toller Anlaufpunkt für alle Mountainbiker, vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen, weil für jeden die passende Strecke dabei ist“, schwärmt sie. 

 

Streckencheck #2 - Nina im Bikepark Oberhof 

 

Wer es hingegen gemütlich(er) mag, dem empfiehlt sie eine Tour auf oder neben dem Rennsteig. „Das Schöne ist: In Thüringen habe ich alles, was ich brauche. Wenn ich in der Welt unterwegs war, freue ich mich immer darauf, wieder nach Hause zu kommen. Und das sehe ich auch als eine große Chance für den Mountainbike-Tourismus“, so Nina. 

Nach ihren Teilnahmen an Hobbyrennen fuhr Nina 2016 zum ersten Mal in der Elite mit und gewann die Gesamtwertung im iXS German Downhill Cup. Stürze und Verletzungen überschatteten die erste Hälfte der Saison 2017, doch Nina konnte sich den dritten Platz bei der Deutschen Meisterschaft sichern. 2018 ist sie ihre ersten Weltcups gefahren – und setzte sich endgültig im Profibereich fest. Nach der ersten kompletten Weltcup-Saison 2019 landete sie im Gesamtklassement auf dem vierten Platz, im Jahr darauf sogar auf Rang drei. Im Herbst 2020 sicherte sie sich im slowenischen Maribor den ersten deutschen Weltcup-Sieg nach sage und schreibe 25 Jahren, 2021 zum zweiten Mal den Titel als Deutsche Meisterin. 

Vorbild sein

Diese Erfolge beeindrucken die Szene: Nina kann mehr und mehr auf die Unterstützung von Förderern und Sponsoren bauen. „Zum Glück, denn Downhill ist keine olympische Sportart und fällt deshalb durch das Raster vieler Förderprogramme“, erklärt die 25-Jährige, die aktuell gut von ihrem Sport leben kann. 2020 gründete sie ihr eigenes Racing-Team, finanziert seitdem einen eigenen Mechaniker und koordiniert ihr Leben als Profi zwischen Weltcup-Rennen und Uni-Abschluss. Das Interesse an ihrer Person steigt, genauso wie ihre Followerzahlen und die Interviewanfragen. Im bekannten Rennrad-Podcast „Besenwagen“ war sie die erste Repräsentantin des Downhillsports. 

Die steigende Popularität will Nina nutzen, um junge Menschen für das Mountainbiken zu begeistern. Und sie will vor allem Frauen zeigen, dass sie eine Chance haben in der Männerdomäne. „Eins, zwei Mädels haben mir gesagt, dass sie wegen mir mit dem Downhill begonnen haben. Wenn ich ein kleines Vorbild sein kann, dann ist das richtig cool.“