Vanessa Voigt

Die Heim-WM im Visier

In ihrer ersten kompletten Weltcup-Saison ist Biathletin Vanessa Voigt aus Floh-Seligenthal der Durchbruch in die Weltspitze gelungen. Mit einer Bronzemedaille in der Frauenstaffel bei den Olympischen Winterspielen, ihrem ersten Podestplatz und einer Trefferquote von 92 Prozent stellte sie ihre Leistungen unter Beweis. Zur Spitzenathletin herangereift ist sie im Thüringer Wald. Dort, wo im Februar 2023 die Biathlon-Weltmeisterschaften stattfinden. 

Wenn die Kampfrichter einziehen, wird es laut in der LOTTO Thüringen ARENA am Rennsteig. Auf dem Weg zu ihren Positionen lässt der DJ das Rennsteiglied laufen und der wohl größte Chor Thüringens – mit über 20.000 Biathlon-Fans – stimmt ein. Und vielleicht auch eine Biathletin an der Startlinie.

„Der Text sitzt. Das würde ich auf jeden Fall hinbekommen“

sagt Vanessa Voigt. 

Der Gedanke daran lässt die Dunkelhaarige laut lachen. Abwegig ist er in keinem Fall. Vanessa Voigt ist Thüringerin durch und durch. Sie ist in der Gemeinde Floh-Seligenthal groß geworden und wohnt seit ihrem zwölften Lebensjahr in Oberhof, erst im Sportinternat, jetzt in einer eigenen Wohnung. Hier ist sie zur Spitzenathletin gereift, die aktuell als die größte Hoffnungsträgerin im Biathlon – der Wintersportart Nummer 1 in Deutschland – gilt. Und wenn sie weltweit unterwegs ist, um an Weltcups teilzunehmen, baumelt nicht weniger als ein Bratwurst-Anhänger und eine Glocke der Firma Venter Glocken aus ihrem Heimatort an ihrem Trainingsrucksack. 
 

 

Was sie drauf hat, hat Vanessa Voigt in der vergangenen Saison eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Von den Olympischen Spielen in Peking brachte sie die Bronzemedaille in der Staffel mit nach Hause. Im Einzel verpasste sie den Sprung in die Medaillenränge um nur 1,3 Sekunden. Der erste Podestplatz beim Weltcup im estnischen Otepää und der 13. Rang im Gesamtklassement, als zweitbeste Deutsche hinter Denise Herrmann, sprechen für sie. Und ihre Trefferquote: 92 Prozent ihrer Schüsse sind ins Schwarze gegangen. Besser war keine. 

 

Feilen an Details

Vanessa Voigt zuckt mit den Schultern.

„92 Prozent sind gut. Aber zu 100 fehlen noch acht Prozent. Da geht schon noch etwas“

sagt sie äußerst fokussiert und mit neuen Zielen im Visier. Aktuell arbeitet sie an ihrer Zeit am Schießstand. Im Liegendanschlag will sie nicht mehr als 30 Sekunden brauchen, stehend soll es noch schneller von der Matte weg und auf die Strecke gehen. Daneben wird an der ersten Runde gefeilt.„Die verschlafe ich immer ein wenig. Ich weiß also genau, an was ich arbeiten muss.“

 

 

In Thüringen gelingt ihr das am besten. „Hier herrscht Ruhe. Hier kann ich strukturiert an den Zielen arbeiten. Und hier habe ich meine Familie und meine Freunde in der Nähe, was für den Ausgleich sehr wichtig ist“ sagt Vanessa, die ihren Trainingsplan vor der zweiten Weltcup-Saison – und dem Saisonhöhepunkt in der LOTTO Thüringen ARENA am Rennsteig – angepasst hat. Bei Lehrgängen trifft sie mit den Athletinnen des DSV zusammen, das restliche Programm spult sie an ihrem Stützpunkt ab.

„Mein Erfolgsrezept ist, dass ich mich allein pushen kann. Ich suche gerne den Vergleich, kann aber auch sehr gut an mir selbst arbeiten. Im Wettkampf muss ich ja auch allein durch.“

Anders als in der Vorbereitung auf die Olympia-Saison sitzt sie nun deutlich weniger im Auto, pendelt deutlich weniger zwischen Oberhof und Ruhpolding, sondern nutzt alle Vorzüge des Thüringer Wintersportzentrums. Und derer gibt es viele. „Die Trainingsbedingungen sind wirklich top. Auf drei Kilometern finde ich alles, was ich brauche. Ich kann sogar zu Hause losrollern, ohne mich ins Auto zu setzen. Das ist ein Riesenvorteil“ sagt die 25-Jährige. Außer, auch andere kommen auf diese Idee und kratzen mit ihren Stöcken ausgerechnet an dem Tag über den Asphalt vor ihrer Wohnung, an dem Vanessa Voigt etwas länger im Bett liegen bleiben könnte.

 

Perfekte Trainingsbedingungen

In Oberhof fehlt es Spitzenathleten an nichts. Da ist die Rollerbahn, auf der in den Sommermonaten sprichwörtlich Wintersportler gemacht werden. Da ist die LOTTO Thüringen Skisport-Halle, in der auch bei Außentemperaturen über 30 Grad Einheiten auf Schnee möglich sind. Und da ist die LOTTO Thüringen ARENA am Rennsteig, die nach dreijähriger Modernisierungsphase einen neuen Maßstab setzt für Leistungs- und Breitensportler gleichermaßen, für Profisportler und Nachwuchsathleten. „Oberhof war schon zuvor gut aufgestellt, aber der Umbau des Stadions ist das i-Tüpfelchen“

 

 

Nicht zuletzt hält der Thüringer Wald unzählige Wege zum Laufen und Radfahren bereit. Die Tour zum Schneekopf mit fantastischem Ausblick oder die Veilchenbrunnen-Runde zählen zu Vanessas Lieblingsstrecken.

„Ich mag es aber auch, immer mal wieder Abzweige zu nehmen und neue Ecken zu entdecken. In der Natur und der Ruhe kann ich gut entspannen und die vielen Erlebnisse aus dem Winter realisieren. Wenn wir Woche für Woche unterwegs sind, bleibt dafür kaum Raum. So richtig kam das erst nach der Saison.“

Dank der hervorragenden Platzierungen im vergangenen Winter ist die Thüringerin fix gesetzt für das erste Trimester, also die Weltcups bis zu Weihnachten. „Das nimmt mir ein wenig Druck. Ich kann die Saison relativ entspannt angehen, ohne verkrampft zu sein. Auch wenn ich natürlich weiß, dass ich an meinen Leistungen gemessen werde und die Erwartungen hoch sind. Es wird nicht leichter, aber ich kann es gut einschätzen.“

 

Höhepunkt in jeder Sportlerkarriere

Die Weltmeisterschaften im Februar 2023, die Titelkämpfe vor der eigenen Haustür, sind das erklärte Ziel und gleichzeitig ein absoluter Höhepunkt in jeder Sportlerkarriere. Wenn über 25.000 Fans ins Stadion und an die Strecke strömen, wird aus der Arena ein Hexenkessel. Die Zuschauer tragen die Athleten auf der langen Geraden förmlich zum Schießstand und den legendären Birxsteig – der über Sieg oder Niederlage entscheiden kann – hinauf, bejubeln jeden Treffer und stöhnen über Fehler. „Ich bin in Oberhof noch nie vor Publikum gelaufen und weiß nicht so recht, ob mich das beeinflussen wird oder nicht. Es wird spannend zu sehen sein, wie ich reagiere“ prophezeit die 25-Jährige.

 

 

Vanessa Voigt wäre aber nicht Vanessa Voigt, wenn sie für diese Situation nicht schon eine Lösung hätte. Angepasste Oropax helfen ihr, bei sich zu bleiben – schnell auf den schmalen Langlauflatten und cool am Schießstand.

„Ich muss mich auf mein Rennen konzentrieren. Ganz egal, was rechts und links passiert.“