Kulturregion Wartburg im Thüringer Wald

Die Erfindung der Christbaumkugel

Wie sich die Glasbläserkunst in Lauscha entwickelte

In Lauscha, in dem einst mit Zustimmung des Herzogs Johann Kasimir von Sachsen-Coburg eine Dorfglashütte gegründet wurde, ist das ganze Jahr über Weihnachten. In den illuminierten Lädchen entlang der Hauptstraße von Lauscha glitzern festlich geschmückte Weihnachtsbäume. Hier wurde vor mehr als 170 Jahren die gläserne Christbaumkugel erfunden, die heute in aller Welt als funkelnder Schmuck am Weihnachtsbaum bewundert wird.  

Der Rennsteig mit seinen tiefen, dunklen Wäldern und engen Tälern ist bereits seit dem Mittelalter Heimat der Glasmacher. 1597 erhielten die beiden aus Langenbach bei Schleusingen kommenden Glasmeister Hans Greiner („Schwabenhans“) und Christoph Müller die Konzession zum Betreiben einer Glashütte und begründeten damit Lauscha. Rasch etablierte sich der Glasbläserort mit kunstvoll angefertigten Hüttenprodukten wie dem Thüringer Waldglas, Butzenscheiben und Olitätenfläschchen. Immer mehr Glasmacher strömten in die Gegend.

 

 

Mit der Heimarbeit, dem „Arbeiten vor der Lampe“, Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich ein neuer Berufszweig. Die Glasbläser konnten nun in der eigenen Stube ihre individuelle Handarbeitskunst entfalten. Den Glasrohstoff, Röhren oder Kolben genannt, bezogen die Glasbläser in handlichen Stücken aus den umliegenden Glashütten und übten sich in der Herstellung gläserner Perlen und anderer Formen. Angefangen mit der Massenherstellung mundgefertigter hohlgeblasener Perlen für den in Mode gekommenen Glasschmuck, experimentierten die Glasbläser weiter mit dem zerbrechlichen Material aus Quarzsand, Pottasche, Kalk und Soda. Mit den Jahren wurde die Produktion weiter verfeinert. Das Glas wurde größer, leichter und dünner.

 

 

© Adrian Seeber

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts schmückten viele Familien ihren Weihnachtsbaum mit Walnüssen oder kandierten Äpfeln. Für die armen Bewohner des Thüringer Waldes waren Früchte und Zucker unerschwinglich. Hingegen war der aus einem Steinbruch aus der Nähe von Steinheid gewonnene Sandstein, der zu Quarzsand zermahlen wurde, der Rohstoff der Glasbläserei, erschwinglich. Der Legende nach soll ein Lauschaer Glasbläser deshalb Äpfel und Nüsse aus Glas geblasen haben. Die Grundform dabei war eine gläserne Hohlkugel. Die Weihnachtskugel war geboren! 

© Adrian Seeber

Die erste bildliche Darstellung einer geblasenen Kugel am Fichtenzweig wurde in der Steinheider Kirche von ca. 1830 entdeckt. Bald wurde der neue Baumschmuck in Händlerkatalogen aufgeführt und auf Messen vorgestellt. Die erste Erwähnung über „6 Dutzend Weihnachtskugeln in 3 Größen“ findet sich 1848 in einem Stützerbacher Geschäftsbuch. Bis in die 1870er Jahre wurde der Christbaumschmuck noch unter Glasspielzeug geführt. 

Kaiser Wilhelm ließ 1871 im besiegten Frankreich einen illuminierten Weihnachtsbaum in Versailles mit den hauchdünnen Kugeln schmücken. Schnell trat der Lauschaer Christbaumschmuck seinen Siegeszug rundum die Welt bis nach Amerika an. Es folgte eine rasante Nachfrage nach den Weihnachtsartikeln, die die Kreativität der Lauschaer Glasbläser anfachte. Neben den freigeblasenen Weihnachtskugeln entstand eine reiche Vielfalt von in Formen geblasenen Motiven wie Früchten, Vögeln oder Zapfen.

 

 

Im Museum für Glaskunst in Lauscha kann man sich auf eine spannende Zeitreise durch die Thüringer Glasgeschichte begeben und eine reiche Sammlung von Glasobjekten und –Erzeugnissen bewundern. Noch heute werden die Weihnachtsbaumdekorationen nach alter Lauschaer Tradition von Mund geblasen und mit verschiedenen Techniken in aufwendiger Handarbeit veredelt, bemalt und verziert. Wer eine reich verzierte Christbaumkugel aus dem Lauschaer Sortiment erwirbt, darf sich ihrer Einzigartigkeit sicher sein.

© LEIKA Kommunikation / Ute Lieschke, Johanna Brause