Ein Entertainer auf zwei Rädern

Rennsteig-Bike-Tour mit Ronald Unger

 

Ein Tagesausflug mit dem Rad durch den Thüringer Wald oder eine mehrtägige (E-)MTB-Tour auf dem Rennsteig ist kein Wettbewerb. Zumindest für Ronald Unger nicht. Der Mountainbike-Guide aus Neuhaus am Rennweg sitzt seit Kindestagen auf dem Sattel und bietet kurzweilige Fahrten an, bei denen alle Teilnehmer auf ihre Kosten kommen: Ruhesuchende Genussradler und Geschichtsinteressierte genauso wie Adrenalinjunkies und Trail-Abenteurer. 

Auf ein Kräftemessen auf dem Rad steht Ronald Unger ganz und gar nicht. „Es ist kein Wettkampf. Es gibt keinen Gewinner und keinen Verlierer, niemand muss beweisen, wie unglaublich schnell er einen Berg hochfahren kann“, betont der MTB-Guide aus Neuhaus am Rennweg. Sein Motto: Gemeinsam losfahren und gemeinsam ankommen, als Gemeinschaft auf Zeit ein Ziel erreichen. „Mountainbiken soll Spaß machen“, sagt er.

Als Guide auf zwei Rädern vereint Ronald Unger gleich mehrere Jobs: Er ist der Tour-Manager und Entertainer der Gäste, Monteur, falls einmal ein Reifen platzt oder Ersthelfer im Notfall, Motivator und irgendwie auch Psychologe. „Ich muss die Gruppen lesen können und nach fünfzehn Kilometern wissen, was ich mit ihnen machen kann. Ob sie eher über die Ausdauer kommen oder ob sie viel Fahrfertigkeiten haben, um zum Beispiel über Wurzelpassagen, fahren zu können. So lege ich mir meine Strategie für den Tag zurecht und biete auch Alternativen an.“ 

Die Liebe zum Radsport hat Ronald Unger von seinem Großvater geerbt, der in seiner Jugendzeit ein erfolgreicher Radsportler war und die Begeisterung dafür in seinem Enkel geweckt hat. „Während meiner Kindheit war das Radfahren in unserer Region eher untypisch. Ich war der Einzige, der das Rad nicht nur für den Weg zum Fußballtraining oder ins Schwimmbad genutzt hat“, erinnert sich Ronald. Hinter dem Rücken seiner Eltern meldete er sich beim Radverein in Schwarza an. Nur wenig später wurde sein Talent auf dem Rennrad entdeckt, er wechselte 1974 für drei Jahre an die Kinder- und Jugendsportschule in Erfurt. Weil der Nachwuchssportler jedoch Westverwandtschaft hatte und allein deswegen kritisch vom System beäugt wurde, endete seine Karriere früh, „obwohl ich die nötige Einstellung für eine Profilaufbahn gehabt hätte.“

Über Umwege zum Traumberuf

Die Eltern wollten, dass er „etwas Ordentliches lernt. Sie meinten, dass ich nebenbei immer noch Rad fahren kann.“ Ronald absolvierte also eine Berufsausbildung zum Elektronikfacharbeiter mit Abitur und arbeitete einige Jahre in dem Beruf, bevor es ihn nach der Wende ins Berchtesgadener Land zog – und nach fünf Jahren wieder zurück in die Thüringer Heimat. In den 2000er-Jahren macht er eine Ausbildung zum Physiotherapeuten und arbeitete als Outdoor-Trainer. „Da habe ich gemerkt, dass ich mit Menschen kann und sie mit mir“, sagt der durchtrainierte Best-Ager. 

Die Erfahrung gab ihm Mut für einen großen Schritt. 2012 machte sich Ronald selbstständig als Guide – und folgte endlich seiner Berufung. „Das Rad war immer meine größte Liebe. Ein solches Angebot gab es noch nicht, die Marktlücke war da und ich habe mir damals gedacht: Mach‘ was daraus. Heute empfinde ich es nicht als Arbeit, sondern liebe, was ich tue“, sagt der heimatverbundene Mann mit dem auffälligen Schnauzbart und dem typisch weichen Dialekt Südthüringens.

Als Local – und wandelndes GPS-Gerät – führt er Bike-Gruppen in drei Tagen über den Rennsteig, bietet aber auch kurzweilige wie ausgedehnte Tagesausflüge rund um seinen Heimatort Neuhaus am Rennweg an. Hier kennt er jeden Zentimeter, hier kann er ihnen die vielen Reize links und rechts des berühmten Kammwegs zeigen. Und genau hier – im anspruchsvollen Gelände mit knackigen Trails – schlagen die Herzen der Mountainbiker höher.

Rundum-Sorglos-Paket

Bei seinen Touren willkommen sind Menschen, die die Vielfalt der Region und ihre Ursprünglichkeit per pedales statt per pedes kennenlernen möchten, die eine Auszeit vom hektischen Alltag suchen und sie gerne mit Gleichgesinnten verbringen möchten. Vom Teenager bis zum Rentner, einfach alle, die die Hügel des Mittelgebirges und Auf- und Abfahrten nicht scheuen – ob aus eigener Muskelkraft oder mit elektrischer Unterstützung. Ronald tritt noch selbst kräftig in die Pedale, selbst wenn er reine E-Bike-Gruppen begleitet. Um mit ihnen mithalten zu können, fährt er im Winter viel Langlauf, für die Grundlagenausdauer und die Kräftigung der Muskulatur, und steigt im Frühjahr so früh möglich auf das Rad. „Eine seriöse Vorbereitung bin ich meinen Gästen schuldig.“

Wer den umtriebigen Guide bucht, bekommt das Rundum-Sorglos-Paket. Ronald kümmert sich um die Bikes und den Transport des Gepäcks von Unterkunft zu Unterkunft, er organisiert das Frühstück und kennt die leckersten Adressen für das Abendessen. „Meine Gäste soll sich wohlfühlen, vom ersten Hallo bis zur Verabschiedung nach einem großartigen Erlebnis“, sagt der Guide, der selbst viel von den Touren zehrt. „Die Vielfalt der Gäste ist enorm bereichernd. Sie sind in jedem Alter und haben ganz unterschiedliche Berufe, Lebensumstände und Ansichten. Der Austausch mit ihnen ist ein Riesengewinn für mich.“

Die beste Währung

Für gewöhnlich steigt Ronald zwischen Mai und September aufs Rad. Er führt die Bike-Enthusiasten nicht nur zu einmaligen Naturhöhepunkten, sondern hat auch Geschichte und Geschichtchen über den Rennsteig, den Thüringer Wald oder Besonderheiten wie die Stadtkirche im Neuhaus, die größte, komplett aus Holz gebaute Kirche Thüringens, im Gepäck. „Nur mit Zahlen geize ich. Ich bin kein Historienführer, sondern möchte, dass sich die Leute unterhalten fühlen.“ 

Die Zufriedenheit seiner Gäste ist seine Währung. „Die ersten drei, vier Jahre waren quälend. Es hat eine gewisse Zeit gebraucht, bis sich das Angebot herumgesprochen hat“, sagt Ronald Unger. Mund-zu-Mund-Propaganda ist das für ihn größte Kompliment. „Und die Wiederholungstäter. Wenn sich Gäste ein zweites oder drittes Mal für eine Tour mit mir entscheiden, weiß ich, dass mein Angebot stimmt.“

Der Rennsteig Radweg