Pilgern im Thüringer Wald

Sechs erlebnisreiche Pilgerwege im Thüringer Wald

Wer auf besinnlichen Wegen pilgern will, ist im Thüringer Wald genau richtig. Seit jeher ist die Region rund um den Rennsteig – 1330 erstmals urkundliche erwähnt als „Rynnestieg“ im „Frankensteiner Kaufbrief“ - ein Ort spannender Geschichte(n). Zahlreiche Pfade und Wanderwege in traumhafter Landschaft laden interessierte Pilger dazu ein, geschichtsträchtige Orte der Reformation, herausragende Denkmäler ehemaliger Fürstentümer und besondere Klosteranlagen in Verbindung mit bedeutsamen Persönlichkeiten kennenzulernen – und im Sinne des Pilgerns gleich sich selbst. Ob naturnahe Klosterwege mit weiten Panoramen oder thematische Wege, eine Pilgerreise durch das grüne Herz Deutschlands ist vielversprechend. Auch abseits des großen Reformators Martin Luther.

Auf den Spuren starker Frauen

Der Pilgerweg „Auf den Spuren starker Frauen“ beginnt auf dem Erfurter Domplatz und führt auf den Spuren der Heiligen Elisabeth (Bistumspatronin), der Heiligen Walburga (Namensgeberin Walpurgiskloster) und der Seligen Paulina (Klostergründerin) an einzigartigen, kulturhistorischen Besonderheiten Thüringens vorbei. Von Erfurt aus führt die Route zuerst entlang des Flusses Gera in Richtung des Barockschloss Schloss Molsdorf – 2021 Außenstandort der Bundesgartenschau Erfurt. Für die bekannte Bachstadt Arnstadt gilt es ausreichend Zeit einplanen, denn hier gibt es neben der Bachkirche auch die Liebfrauenkirche mit ihrem spätgotischen Flügelaltar (1498) und die „schöne Madonna“ – eine um 1415 geschnitzte Lindenholzfigur - sowie bedeutende Glasmalereien zu entdecken. An vielen Stationen des Weges können Pilgerstempel gesammelt werden, wie z.B. an der Traukirche J. S. Bachs in Dornheim. Den atemberaubenden Abschluss der noch folgenden 30 Kilometer bis nach Paulinzella, bildet die beeindruckenden Klosterruine aus dem 12. Jahrhundert, eine der bedeutendsten romanischen Sakralbauten Mitteldeutschlands.

Elisabethpfad

Der Elisabethpfad ist ein Pilgerweg, der anlässlich des 800. Geburtstags der heiligen Elisabeth im Jahr 2007 eingeweiht wurde und von der Wartburg in Eisenach über Hörschel und Creuzburg bis zur Elisabethkirche – ihrem Beisetzungsort - im hessischen Marburg führt. Bereits im 13. Jahrhundert entwickelte sich eine starke Wallfahrtsbewegung zwischen den wichtigsten Stationen im Leben der Heiligen, was auf die Berichte über die Wunder an ihrem Grab zurückzuführen war. 

Auf der Wanderung wandelt man demnach auf wahrlich historischen Spuren: ausgehend von der Schönheit der thüringischen Mittelgebirgslandschaft führt die Route über weite Strecken entlang dem mittelalterlichen Straßenzug „durch die langen Hessen“, die unzählige historische Städte und bedeutungsvolle Kirchen miteinander verbindet. Der Elisabethpfad 2 - und 3 bis nach Köln – sind durchgängig mit dem roten Zeichen markiert und teilweise gleichzeitig mit der gelben Muschel auf blauem Grund des Jakobsweg gekennzeichnet.

Benediktinerpfad

Der Benediktinerpfad ist eine geschichtsträchtige Tagestour auf wildromantischen Pfaden zwischen dem einstigen Kloster Reinhardsbrunn der Benediktiner, Hauskloster der mächtigen Thüringer Landgrafen auf der Wartburg, und Schloß Tenneberg – ebenfalls eine ihrer Residenzen – auf dem Burgberg von Waltershausen. Ausgehend vom Kurpark Friedrichroda streift der Pilgerweg das Gebiet von Schloss Reinhardsbrunn samt seines prächtigen Parks und der herrlichen Teiche. Vorbei am Komstkochteich und einer Kräuterreichen Bergwiese geht es nach einem kurzem und steilen Aufstieg zu Schloss Tenneberg. In dem hiesigen Museum sind heute Ausstellungen zur Stadtgeschichte und städtischem Handwerk, Trachten und der lokalen Puppenindustrie zu finden. Über den Aussichtspunkt Deysingslust, den Märchenpark in Bad Tabarz und die Marienglashöhle in Friedrichroda führt die Strecke durch Ausläufer des westlichen Thüringer Waldkammes zu herrlichen Panoramablicken.

Ökumenischer Pilgerweg (Via Regia)

Der Wegverlauf des Ökumenischen Pilgerweges orientiert sich am historischen Verlauf der Via Regia, einer alten Handelsstraße, die erstmalig 1252 Erwähnung fand und als „Königliche Straße“ gilt. Sie zählt heute zu den Europäischen Kulturstraßen, diente sie doch über Jahrhunderte sowohl Königen, Kriegern und Händlern. Entlang des über 450 Kilometer langen Pilgerweges zwischen Görlitz und Vacha – gelegen zwischen Bad Hersfeld und Eisenach - befindet sich ein in Deutschland einmaliges Netz oftmals ehrenamtlich geführter und christlicher Herbergen. Kirchgemeinden, Klöster, Begegnungsstätten und Privatfamilien gewähren dem Pilger für eine Nacht Unterkunft, die mit einer Spende gewürdigt werden sollte. Der Weg ist in weiten Teilen auch für Radfahrer befahrbar.

Lutherweg (Schmalkalden - Tambach-Dietharz)

Ein Ausschnitt des ca. 1.000 km langen Lutherweges in Thüringen entspricht in Teilen dem historischen Reiseweg von Martin Luther im Jahre 1537 in der Inselsberg-Region und führt zu Originalschauplätzen seines Lebens.

Der Reformator veröffentlichte im Februar 1537 auf dem "Schmalkalder Fürstentag" seine Schmalkaldischen Artikel, das Glaubens-Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche, die im Auftrag des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich verfasst wurden. Noch heute werden weltweit alle evangelischen Pfarrer auf diese Artikel ordiniert, die auf der größten Tagung des Schmalkaldischen Bundes beschlossen und später auf dem vom Papst Paul III. einberufenen Konzil zu Mantua verlesen wurden. 

Zweimal predigte Luther in der Stadtkirche St. Georg von Schmalkalden, bevor er aufgrund eines Nierenleidens, das ihm unerträgliche Schmerzen bereitete und er sich dem Tod nahe glaubte, am 26. Februar 1537 frühzeitig die Verhandlung seiner Glaubensgrundsätze verlassen musste, um gen Wittenberg abzureisen. Die Fahrt ging über den Rennsteig nach Tambach. Kurz vorher soll Luther aus dem Dambachsdorn – dem heutigen Lutherbrunnen – getrunken haben. Die Legende besagt, dass der Genuss des reinen Wassers und die holprige Wagenfahrt dazu beitrug, dass sich dessen Nierensteine lösten. Glücklich über diese Fügung schrieb er am Morgen des 27. Februar an den in Schmalkalden verbliebenen Philipp Melanchton.

Via Romea Germanica

Es muss nicht immer Santiago de Compostela sein, denn viele (schöne) Wege führen bekanntlich auch nach Rom. So der alte Pilgerpfad VIA ROMEA GERMANICA, der vom norddeutschen Stade nach Süden über Österreich und den Brenner nach Italien verläuft und auf dem letzten Abschnitt westlich von Viterbo auf die Via Francigena trifft. Der Rompilgerweg des Abtes Albert von Stade aus dem 13. Jahrhundert ist als „Europäische Kulturroute“ anerkannt, gilt mit einer Länge von 1.900 km als „Weg der Begegnungen“ und eines ist garantiert: Alleine in und um den Thüringer Wald begegnet man in geschichtsträchtige Orten wie Gotha, Schmalkalden und Meiningen interessanten Geschichten und Pilgeranlässen, die den folgenden Städten aus dem Itinerar von Abt Albert von Stade - einer Beschreibung des Reiseweges – in Nichts nachstehen: Würzburg, Augsburg, Oberammergau, Partenkirchen, Innsbruck, Bozen, Trient, Padua, Venedig und Rom…