Aktivregion Rennsteig im Thüringer Wald

Rennsteig-Reportage

Erlebnisse zwischen Masserberg und Neuhaus am Rennweg

Eine Tageswanderung auf dem Rennsteig sollte es werden, als kleine Auszeit vom städtischen Leben. Von Weimar aus nur eine Stunde Fahrtzeit zum Ausgangspunkt in Masserberg – perfekt.

Auf der Etappe nach Neuhaus am Rennweg gab‘ so einige Überraschungen: Ich traf auf einen Flötenspieler, der mitten im Wald ein kleines Konzert darbot. Ich lernte einheimische Gastfreundschaft kennen, als mir eine „Ureinwohnerin“ in Friedrichshöhe frisch gepflückte Beeren reichte, und begegnete schüchternen Waldeidechsen in einer Natur á la Jurassic World, die ich so in Thüringen nicht erwartet hätte. 

„Ich wandre ja so gerne am Rennsteig durch das Land…“

Die heimliche Hymne des Thüringer Waldes schwirrt mir noch durch den Kopf, da lese ich das Orteingangsschild „Gehren“, einem Ortsteil von Ilmenau. Spontan entscheide ich mich, einen Stopp einzulegen, um meine Rucksackverpflegung noch etwas aufzupeppen. Ich husche durch die Tür der Meisterbäckerei Pausch – und fühle mich zurückversetzt in meine Kindheit. Hier duftet es genauso, wie früher in den Bäckereien: nach einem Mix aus Hefe, Puderzucker, Zimt und kross gebackenem Brot. Ich plaudere mit der Verkäuferin, gönne mir ein Süßgebäck und laufe zurück zum Auto. Weiter geht’s nach Masserberg mit seinen schiefergedeckten Häusern und Fassaden, bis ich schließlich am Wanderparkplatz lande. Das Wetter könnte besser nicht sein: Die Sonne strahlt vom Himmel, die Vögel zwitschern und entfernte Stimmen von anderen Wanderern lassen den alten Gruß „Gut Runst!“ verlauten.

 

Schottische Flötenimprovisationen in den „Thüringer Highlands“

Meine Begleiter auf den ersten Metern: ein überaus fröhliches Pärchen aus der Nähe von Leipzig. Am Rucksack haben sie stilecht eine Sachsenfahne gehisst. Wir kommen schnell ins Gespräch, tauschen ein paar Scherze aus und dann ziehen sie im Laufschritt von dannen. Ich merke schnell: Die beiden sind wesentlich geübter als ich. Nach einigen Kilometern begegnet man sich erneut, ganz in der Nähe des Aussichtsturms „Rennsteigwarte“. Eine Besteigung des 33 Meter hohen Turmes lohnt sich: Die Fernsichten zum Schneekopf, ins Schwarzatal, bis hin zur Veste Coburg und den Gipfeln des Fichtelgebirges sind atemberaubend und bleiben unvergessen. Doch zurück zu Conny und Frank, wie sich mir die beiden sächsischen Wanderfreunde vorstellen. Sogar ein drittes Mal treffen wir uns, und es ist jedes Mal wie im Märchen „Hase und Igel“: Die beiden sind vor mir da. Zum Trost bekomme ich ein besonderes Geschenk: ein exklusives Minikonzert. Mitten in dieser herrlichen Waldlandschaft gibt Frank auf seinem Pipe-Chanter schottische Melodien zum Besten. Ich lerne, dass dies die Übungsflöte für Dudelsackspieler ist. Beschwingt von diesem Erlebnis in den „Thüringer Highlands“ wandere ich weiter.

Über Stock und über Steine

Die historischen Grenzsteine, die einem auf Schritt und Tritt begegnen, kommen mir vor wie eine Open-Air-Ausstellung. Es sind Initialen, Wappen oder auch Symbole abgebildet. Als steinerne Zeugnisse der Geschichte zeigen sie die Vielzahl von ehemaligen Ländergrenzen auf. An den sogenannten Dreiherrensteinen stießen die Territorien dreier Länder aneinander, so auch beim Dreiherrenstein Hohe Heide, den ich in 832 Metern erreiche. Auf dem weiteren Weg komme ich versteckten Liebesgeschichten der Natur auf die Spur: Da umhüllen Moose in schmuckvollen Fransen Äste und Zweige, beeindruckende Baumriesen schmiegen sich vertraut aneinander. Auf Baumstümpfen entsteht neues Leben – Baumbabys recken munter ihr Gesicht der Sonne entgegen. Soviel Schönheit muss erstmal verdaut werden. Ich lege eine Pause an der Eisfelder Ausspanne ein. Hier lese ich auf einer Infotafel, dass dies der alte Passübergang vom Werratal ins Schwarzatal gewesen ist. Früher wurden die Pferde vor der Abfahrt ins Tal von den Fuhrwerken ausgespannt – daher die Bezeichnung. Ich lasse meinen Blick noch etwas schweifen und genieße die gelben Blütenfarbtupfer auf der Wiese gegenüber der Schutzhütte.

Farngiganten. Scheue Reptilien. Beerensnack.

Die Blumen, die ausschauen wie gelbe Sterne, gehen über in ein riesigen Farnmeer: Ein Adlerfarn am anderen, soweit das Auge reicht – und was für Exemplare. Ich will es genau wissen, gehe hinüber und stelle fest: Sie überragen mich um etliche Zentimeter. In ihrer Größe erinnern sie mich ein wenig an Urzeiten, als Dinosaurier die Erde bevölkerten. Ein Grashüpfer hat es sich auf einem Farnwedel gemütlich gemacht, der sich genüsslich in der Sonne aalt. Auf dem weiteren Weg in Richtung Neuhaus geht es auf einem schmalen, steinigen Wegabschnitt bergan. Fast wie eine Klamm schaut es hier aus. Es ist feucht und kühl, rechts und links flankieren mit Moosen und Farnen bewachsene Felsen den Weg. Mitten auf dem Rennsteig entdecke ich „Bio-Pflanzschalen“ – schmale Gesteinsspalten, in denen sich Erdreich angesammelt hat und darauf allerlei Pflanzen gedeihen. Ein paar Schritte weiter steht im Scheinwerferlicht der Sonne der Waldsauerklee. Was für ein Eyecatcher. Ich bleibe immer wieder für einen kurzen Moment stehen und atme die frische Waldluft ein, die mir entgegenströmt: Wie in Schleiern umhüllt mich der Duft mal stärker, mal schwächer. Erst riecht es süßlich nach Blüten und Honig, dann wieder würziger nach Moos, Fichtennadeln und morschem Holz. Während ich mich wundere, wie unterschiedlich sich doch jeder Streckenabschnitt anfühlt, gelange ich zum Germar-Gedenkstein. Die nächsten Kilometer sind eine Offenbarung der Natur – Brombeeren und Himbeeren in Hülle und Fülle. Ich greife zu und mache dabei eine weitere Entdeckung: Ein scheues Reptil namens Waldeidechse lugt vorsichtig aus dem Blattwerk hervor. Einige Meter weiter hat Frau Kreuzspinne eine Fliege in der Mangel.

Kulinarische Schätze vom Rotkäppchen

Der nächste Ort ist in Sichtweite: Friedrichshöhe. Hier wird aufgetankt. Schnurstracks steuere ich das Gasthaus „Zum Rennsteig“ an. Im lauschigen Biergarten nehme ich ein Platz direkt am Zaun ein, mit weitem Blick über die Wiesen bis hin zum nächsten Waldrand, und gönne mir eine große Tasse Kaffee. Zurück am Rennsteig laufe ich direkt in die Arme einer „Ureinwohnerin“ des Ortes. Wie sagt man da: Friedrichshöherin? Wie Rotkäppchen trägt sie ein Körbchen in der Hand, strahlt mich an und bietet mir nach einer kurzen Begrüßung gleich ein paar der frisch gepflückten Blaubeeren an. Sie hat noch weitere Schätze im Korb: die ersten Pilze der Saison, knackige Maronen. Eine kurze Unterhaltung muss genügen – ich verabschiede mich freundlich, denn es stehen noch eine Menge Kilometer an. Eine Verschnaufpause gibt’s am Dreistromstein – ein Obelisk, der den Wasserscheidepunkt von Weser, Elbe und Rhein markiert. 

Rennsteig-Thronbesteigung und Endspurt

Hier hätte ich gern länger verweilt: auf dem überdimensionalen Holzstuhl, mit Weitsicht ins Land. Zumindest klettere ich hinauf und schaue, wie es sich auf so einem herrschaftlichen Rennsteig-Thron sitzt. Die weitere Wegstrecke führt hinunter nach Limbach und von dort wieder steil hinauf. Kunstvoll verschnörkeltes Wurzelgeflecht zieht sich wie ein Teppich über den Waldboden. Bis nach Neuhaus am Rennweg gebe ich Gas, da ich die Busverbindung zurück nach Masserberg schaffen möchte. Und irgendwann ist es soweit – ich sehe das gelbe Ortsschild: „Stadt Neuhaus am Rennweg“. Nun schnellstmöglich zum Bus, einmal umsteigen in Limbach, und dann stehe ich auch wieder am Wanderparkplatz in Masserberg. Ich schiele noch einmal hinauf zum großen weißen „R“, der ultimativen Wegmarkierung des Rennsteiges, und singe in Gedanken einen Teil der berühmt-berüchtigten Hymne: „Ich jodle lustig in das Tal, das Echo bringt's zurück. Den Rennsteig gibt es nur einmal und nur ein Wanderglück.“

Alle Infos zum loswandern gibt's hier: