Kulturregion Wartburg im Thüringer Wald

Von Sonneberg nach Amerika

Die internationalen Handelswege des Christbaumschmucks

... und was Woolworth damit zu tun hatte

Frank Winfield Woolworth reiste 1880 nach Thüringen auf der Suche nach neuen Produkten für seine „five-and-dime-stores“, die er gerade erst in den USA gemeinsam mit seinem Bruder gegründet hatte. In den Zeiten der großen Einwanderungswelle war das „5-10-Cent-Geschäftsmodell“ für Gebrauchswaren aller Art überaus erfolgreich und bald millionenschwer. Der amerikanische Geschäftsmann hatte einen guten Riecher, als er die Fersten Christbaumkugeln in Sonneberg persönlich orderte. Kurze Zeit später verkaufte Woolworth bereits mehr als 200.000 Stück des kunstvollen Christbaumschmucks in seinen amerikanischen Kaufhäusern. Es begann eine unvergleichlich deutsch-amerikanische Erfolgsstory. 

Die Vereinigten Staaten wurden der größte Absatzmarkt für Lauschaer Christbaumschmuck. Der amerikanische Brauch, bereits nach Thanksgiving Ende November mit der Weihnachtsdekoration zu beginnen und diese nach dem Weihnachtsfest zu entsorgen, kurbelte die Produktion an. „The kugels“ wurden beliebter Massenartikel und aufgrund der hohen Nachfrage kreierten die Glasbläser immer neue Formen und Muster. Bis zu Beginn des ersten Weltkriegs waren die Thüringer Hersteller im Prinzip ohne Konkurrenz. 95 Prozent des in den USA verkauften Christbaumschmucks kamen aus Lauscha und Umgebung.

 

 

Dass Frank Woolworth für neue Inspirationen gerade ins thüringische Sonneberg reiste verwundert nicht. Das Städtchen nahe dem Rennsteig mit etwa 15.000 Einwohnern und Telefonanbindung seit 1887 war Ende des 19. Jahrhunderts weltgrößter Spielwaren- und Weihnachtsschmuckvertrieb und international berühmt als „Werkstatt des Weihnachtsmannes“. Verschiedenste deutsche Dialekte und europäische Sprachen hörte man damals in den ausgebuchten Gasthöfen der Stadt. Der Grundstein für das Erfolgsrezept wurde bereits im 17. Jahrhundert gelegt. Strategisch perfekt nahe der alten Handelsstraße Nürnberg-Leipzig gelegen etablierte sich Sonneberg zu einem Handelszentrum für die anonym in kleinen Familienbetrieben hergestellten hölzernen Waren der umliegenden Region.

© Florian Trykowski

Einen wahren Verkaufsschub brachte das ausgeklügelte kaufmännische System Herzogs Georg I. von Sachsen-Meiningen von 1789, der den Sonneberger Kaufleuten das „Große Sonneberger Handelsprivileg“ erteilte. Darin hieß es, dass „Kein Kaufmann selbst fabrizieren und kein Fabrikant selbst Handel treiben durfte.“ Es folgte ein rasanter Wirtschaftsaufschwung, Handelsbeziehungen wurden ausgeweitet. Um 1880 hatten sich bereits 81 Exportunternehmen angesiedelt, 321 ansässige Spielzeugfirmen produzierten im Akkord.

Mit dem Beginn des ersten Weltkriegs war die Blütezeit der „Weltspielwarenstadt“ abrupt beendet. In den zwanziger Jahren lebten die Handelsbeziehungen noch einmal auf, repräsentative Villen der Verleger rundum den Bahnhofsplatz entstanden. Die Firma Woolworth baute 1926 ein Handels- und Lagerhaus mit direkt neben dem Bahnhof gelegenen eigenem Gleisanschluss.  Zwar boomte nach 1949 der Export von Christbaumschmuck und Spielwaren in die Bundesrepublik Deutschland, die einstige Bedeutung als Weltvertriebsmetropole konnte die Region jedoch nie wieder erreichen. Erst nach 1990 wurden langsam wieder internationale Geschäftsbeziehungen aufgenommen.

Heute haben sich wieder viele kleine und mittlere Unternehmen in der Christbaumschmuck- und Spielzeugbranche etabliert. Auf der Suche nach hochwertigen Weihnachtsgeschenken kann man sich in die vielen traditionsreichen Manufakturen der Region begeben und originale Handwerkskunst erleben.

© LEIKA Kommunikation / Ute Lieschke, Johanna Brause